Ein Jahr mit Thomas Bernhard by Karl Ignaz Hennetmair
Autor:Karl Ignaz Hennetmair
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Residenz
veröffentlicht: 2014-03-20T16:00:00+00:00
6. August 1972
Um 15 Uhr kam Thomas zum Kaffee. Er sagte, daß ihn um 17 Uhr 30 die „Königin der Nacht“, Angela Schmid, besuchen werde.
In erster Linie besprachen wir die Artikel über den Skandal in den „Salzburger Nachrichten“, „Salzburger Volksblatt“, „Oberösterreichische Nachrichten“ vom Samstag und die Artikel von heute in der „Kronen Zeitung“ und im „Kurier“. Thomas fand es komisch, daß in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ noch ein Porträt von Peymann steht, während die „Salzburger“ schon vom Skandal berichten. Für die Zeitungen kam der Skandal zu spät, sagte Thomas. Am Montag wird in allen Zeitungen berichtet werden. Ich machte den Vorschlag, daß wir so wie letzten Montag wieder nach Salzburg fahren sollten, um die deutschen Zeitungen zu bekommen. Da der „Spiegel“ erst am Nachmittag einlangt, sagte ich, sollten wir um 15 Uhr abfahren. Da bekommen wir den „Spiegel“ in den Geschäften, und die Zeitungen, die dann schon aus sind, bekommen wir an den Ständen am Rathausplatz und am Alten Markt, die um 18 Uhr neu aufmachen. Thomas stimmte zu.
Thomas erzählte dann noch weitere Einzelheiten von Salzburg vor und während des Skandals. Wegen des Artikels im „Salzburger Volksblatt“ vom 4. 8., der Glosse „Ein Ignorant“, intervenierte Schaffler bei Kaut, er solle in einem Telegramm Bernhard in Schutz nehmen. Kaut sagte, das sei ihm Wurst, was die schreiben. Da hat er sich wieder gezeigt, sagte Thomas. Für ihn bin ich noch immer der kleine Thomerl, der nur in den Zeitungen berühmt ist, aber er selbst hält überhaupt nichts von mir. Thomas sagte: Nachdem der Protest wegen der Finsternis stattgefunden hatte, machte ich ja den Vorschlag, man solle spielen, aber vor der Aufführung solle Peymann eine Erklärung verlesen. Das hat Peymann überhaupt abgelehnt. Ich hätte das Stück gerne noch einmal gesehen, es wäre ein Riesenerfolg geworden. An manchen Stellen hätte tosender Applaus eingesetzt. Peymann hat sich selbst um sein Kunstwerk gebracht. Protestieren ja, aber dann spielen. Außerdem hätte Peymann die Vorfälle hinter der Bühne publizieren müssen, nicht nur stur auf den 2 Minuten bestehen. Denn wenn die Brille vier Meter weit wegfliegt und Herrmann weint, gehört das auch alles gesagt. Ich sagte, als Peymann das Publikum gesehen hat, die Frauen in Gold und Silber, die Herren im Smoking, da hat er rot gesehen, das ist ihm zu Kopf gestiegen, und denen wollte er es zeigen. Ja, sagte Thomas, aber gerade deswegen hätte ich nach kurzem Protest gespielt, gerade das Stück ist doch geeignet dazu. Das Publikum, gerade dieses Publikum, das ich ja restlos verabscheue, hätte in dem Stück zu den Fußtritten, die es bekommen hätte, auch noch geklatscht. Gerade dieses Stück hätte er spielen müssen. Ich glaube, in Salzburg werden wir dieses Stück nicht mehr sehen, sagte Thomas. Peymann war so fanatisch gegen die Aufführung, daß ich Angst hatte, er haut mir eine runter, als ich Bruno Ganz zum Spielen überredet hatte und sagte, protestiert ist genug, jetzt gehört gespielt. Als dann auch Ganz und die anderen Schauspieler gegen das Spielen waren, sagte ich: Gut, dann bin ich in euren Augen ein Trottel, und als Trottel geh ich von euch weg.
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